Als die Nacht sich ihrem Ende zuneigt und die ersten Vogelstimmen den Beginn des neuen Tages ankündigen, streicheln wir unsere liebe Lava. Bis zur letzten Sekunde hat sie gekämpft, niemals aufgegeben. Doch nun schlägt ihr Herz nicht mehr. Lava ist gerade gestorben.
Ich sehe sie vor mir, als kleinen Welpen, der eng an seine Geschwister gekuschelt einschläft. Sie träumen von der großen weiten Welt, die hinter dem Garten ihrer Züchter auf sie wartet und haben das ganze Leben noch vor sich. Auch für uns beginnt mit dem ersten eigenen Hund ein neue, aufregende Zeit. Lava lässt uns die Welt mit anderen Augen sehen. Jemand, der keinen Hund besitzt, weiß gar nicht, was er alles verpaßt. Durch sie knüpfen wir viele neue Freundschaften mit Gleichgesinnten. Lava ist stark und selbstbewußt. Schon in der Welpenspielstunde ist sie die Chefin auf dem Platz, bis sie eines Tages ein ausgewachsener Schäferhundrüde unterwirft. Das beeindruckt sie mächtig. Maylo, der Schäferhundrüde, wird der einzige Hund bleiben, vor dem Lava sich fürchtet. Allen anderen Hunden, denen sie in ihrem Leben begegnet, wird sie überlegen sein. Sie ist der Boss - daran lässt sie niemanden zweifeln. Und so wirft sie den 75 kg schweren Bruno zur Begrüßung in nullkommanix zu Boden. Aber sie ist eine prima Chefin, die nur dann hart durchgreift, wenn es auf andere Art und Weise nicht möglich ist. Auf Lava ist Verlass. Sie beschützt Quattro, als dieser von einem anderen Doggenrüden angegriffen und verletzt wird, sie beschützt uns in Apulien, als sich drei Diebe an unserem Auto zu schaffen machen.
Lava ist wunderschön. Für mich ist sie die schönste Doggenhündin überhaupt. Sie ist viel kräftiger und größer als andere Hündinnen, hat einen riesigen Kopf und einen langen Hals. Im Urlaub liegen ihr vor allem die Italiener zu Füßen, “che grande cavallo” ist die Attraktion, wo immer sie auftaucht.
Lava, der große, schwarze Hund, kann Menschen begeistern. Mehr als einmal habe ich den Spruch gehört “Ich habe vor Hunden eigentlich Angst, nur nicht vor Lava.” Durch ihre Ruhe und Ausgeglichenheit nimmt sie den Menschen die Angst.
Lava ist eine große Kämpferin. Das wichtigste, das mich Lava lehrte, ist es, niemals aufzugeben, auch wenn ein Kampf noch so aussichtslos erscheint. Ich sehe sie vor zwei Jahren im Wohnzimmer liegen, aus der Tierklinik als hoffnungsloser Fall nach Hause geschickt. Sie kann nicht mehr laufen, nicht richtig trinken, hält den Kopf schief. “So ein alter Hund kann das nicht schaffen” - das waren die Worte der Ärzte. Lava sieht uns an und ihre Augen sagen, “ich will noch nicht sterben” und sie schafft, was keiner für möglich gehalten hätte: sie fängt wieder an zu laufen. Es wird ein langer und schwerer Weg, aber Lava gibt niemals auf und wird wieder die Alte.
Lava ist schlau. Lava kann Türen öffnen, egal ob sie sich nach innen oder außen öffnen lassen. Am liebsten öffnet sie die Küchentür, denn dort findet sich immer etwas Essbares und Lava ißt für ihr Leben gern. Als wir die Klinke an der Küchentür durch einen Knauf ersetzen, macht sie sich auch mit der neuen Technik sofort vertraut. Lava liebt Hunde-Brettspiele, bei denen man herausfinden muss, auf welche Weise man an die versteckten Leckerbissen gelangt. Wir haben die Spiele bei mehreren Hunden ausprobiert - so schnell wie Lava ist niemand.
Lava ist überall dabei und, weil sie so brav ist, auch überall gern gesehener Gast. Lava ist meine Freundin, ein Teil meiner Familie.
Wenn man sich an Lava anlehnt, fühlt man sich sicher, weil sie so stark ist. Auch jetzt liegt mein Kopf auf ihr und meine Tränen laufen über ihr weiches Fell. Ich kann nicht glauben, dass sie tot ist.
Es fing damit an, dass sie unmittelbar nach ihrer Läufigkeit Fieber bekam. Der Verdacht einer Gebärmutterervereiterung bestätigte sich zunächst im Röntgen- und Ultraschallbild nicht, die Gefahr war aber auch innerhalb der nächsten Wochen nicht gebannt. Mal ging es ihr besser, mal wieder schlechter, doch die Ursache konnte nicht wirklich gefunden werden. Vor 4 Tagen dann liessen wir einen neuen Ultraschall machen und sofort zeigte sich, dass Lava eine schwere Gebärmuttervereiterung hatte. Für eine 10jährige Dogge ist die Operation lebensgefährlich und an dieser Stelle stellt sich normalerweise die Frage, ob man sie einem so alten Hund noch zumutet. Doch weder für uns noch für Dr. Weber stellte sich die Frage, denn Lava war eine Kämpfernatur und hatte ein kerngesundes Herz. Wir mußten es einfach versuchen.
In der Nacht vor der OP erbrach Lava Blut und ihr Zustand verschlechterte sich dramatisch, so dass sie wir sie noch nachts in die Praxis brachten, wo sie zunächst zur Regeneration Infusionen bekam und als sich ihr Zustand stabilisiert hatte, operiert wurde. Für uns begannen bange Stunden des Wartens, bis endlich der erlösende Anruf kam, dass Lava die OP gut überstanden hat. Wir lagen uns weinend vor Freude in den Armen - Lava hatte es wieder einmal geschafft! Die Tage nach einer OP sind immer noch kritisch, zumal Lava schon so alt war. Doch ich war mir so sicher, dass sie alles hinter sich hat, zumal sie bereits am nächsten Tag wieder gefressen hat und in den Garten laufen konnte. Umso unerwarteter traf uns der Rückschlag am darauffolgenden Tag. Lava ging es schlechter, sie stand nicht auf und verlor plötzlich pechschwarzen Stuhl. In diesem Moment hatten wir das Gefühl, dass in Lavas Körper etwas schreckliches passiert. Beim Tierarzt beruhigte man uns. Lava bekam noch einmal Medizin für den Magen-Darmbereich verabreicht.
Ich glaube, nach 10 Jahren kennt man sein Tier besser als jeder Tierarzt. Wir wurden das Gefühl nicht los, dass mit Lava etwas nicht stimmt. In dieser Nacht wachten wir bei Lava. Ihr ging es nicht gut, das spürten wir. Plötzlich erbrach sie abermals Blut. Es sind Bilder, die wir wohl nie aus dem Kopf bekommen werden. Noch während wir mit den Tierärzten telefonierten, schaute uns Lava an und fiel plötzlich leblos zurück. Ich weiß nicht, ob sie gleich tot war oder nur bewußtlos. In einem Moment glaubte ich, ihren Herzschlag zu spüren, im nächsten glaubte ich, es mir nur einzubilden. Wir versuchten verzweifelt, sie wiederzubeleben, doch ohne Erfolg. Ich denke, es wäre auch nicht in Lavas Sinne gewesen. So legten wir uns zu ihr, redeten mit ihr und streichelten sie, bedankten uns für all die schönen Jahre und die Liebe und Treue, die sie uns schenkte. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis die Tierärztin endlich eintraf, uns kam es wie eine Ewigkeit vor. Sie konnte nur noch Lavas Tod feststellen. Unsere größte Angst war es immer, bei Lava die Entscheidung über Leben und Tod treffen zu müssen. Als hätte sie es geahnt, ging sie einfach von selbst. Selbst in dieser schweren Stunde war Lava die stärkste von uns allen gewesen.
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