Februar 2013

10.02.2013

Niemand von uns hätte erwartet, dass der Abschied so schnell kommt. Morgens lief Quattro noch munter durch den Garten, mittags, als wir uns auf dem Weg zum Tierarzt für eine Behandlung machen wollten, fing er an zu humpeln. Rückblickend frage ich mich, ob er an dieser Stelle vielleicht schon nicht mehr von zuhause wegfahren wollte. Er, der für sein Leben gern Auto fuhr. Beim Tierarzt stand er bereits auf etwas wackeligen Beinen, war aber noch guter Dinge. Wieder zuhause angekommen legte er sich gleich hin. Als er einige Zeit später wieder aufstehen wollte, um sich zu lösen, trat ein, wovor wir uns am meisten gefürchtet hatten.

In dem Moment, in dem er nicht mehr schmerzfrei laufen konnte, brach sein Lebenswille. Nie werden wir den hilfesuchenden Blick vergessen, mit dem er uns fragend anschaute, als er merkte, dass er plötzlich nicht richtig laufen kann. Niemand von uns hätte es ihm verübelt, wenn er ins Haus gepieselt hätte - aber er quälte sich noch einmal in den Garten, jeder Schritt ein Kampf. Vergessen waren all die leisen Zweifel, dass es vielleicht zu früh war, den Tierarzt zu rufen, dass es noch Hoffnung gibt, dass er, wenn er sich nur lang genug ausruht, vielleicht wieder normal laufen kann. Für Quattro, der sein Leben lang gern rannte und sprang, war es das schlimmste überhaupt, nicht mehr richtig laufen zu können und es brach uns das Herz, ihn so zu sehen. In diesem Moment überlagerte der Wunsch, ihm zu helfen, jede andere Emotion und wir baten unseren Tierarzt Dr. Weber, zu uns zu kommen, um Quattro einzuschläfern.

Da Dr. Weber einen längeren Anfahrtsweg zu uns hat, blieb uns noch etwas Zeit. Zeit, um Lebwohl zu sagen. Zeit, um ein letztes Mal sein weiches Fell zu streicheln, in seine treuen Augen zu blicken, seinen Geruch tief einzuatmen, in der Hoffnung, es für immer in der Erinnerung festhalten zu können.
Als die Kirchenglocken wie gewohnt läuteten, reagierte Quattro nicht. Normalerweise hat er sich immer furchtbar darüber aufgeregt und versucht, sie mit seinem Gebell zu übertönen. Heute interessierte es ihn nicht.

Ich habe noch nie gehört oder gelesen, dass Tiere weinen können und ich hatte es zuvor noch nie gesehen. Quattros Augen waren auf einmal feucht. Vielleicht waren es meine eigenen Tränen, die Quattro hinunterliefen, weil ich mein Gesicht an seines gedrückt hatte, vielleicht waren es aber auch seine Tränen - für mich hatte es den Anschein, als würde Quattro weinen. Immer wieder schob er sein Köpfchen auf meine Hand, wenn ich sie einmal kurz zur Seite nehmen wollte.
 
Ich hatte immer Angst davor, eines Tages von der Arbeit nach Hause zu kommen und Quattro ist gestorben. Der Gedanke, im Moment des Abschieds nicht bei ihm gewesen zu sein, wäre unerträglich gewesen für mich. Dass er bei seinem letzten Atemzug ganz ruhig in meinen Armen lag, in seinem Zuhause, bei Ava, bei seiner Familie, dass der ihm und uns vertraute Tierarzt ihn einschläferte - all dies machte es zu einem würdevollen Abschied.

Erst als alles still war, realisierte ich, dass ich meinen besten Freund verloren hatte.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir den 9 Wochen alten Quattro von seiner Züchterin abholten. Anders als bei Lava verlief bei Quattro der Start alles andere als problemlos. Obwohl die Heimfahrt nur 20 Minuten dauerte, erbrach er sich gleich im Auto. In der ersten Nacht, aber auch nur in dieser einer Nacht, hatte ich es bitterlich bereut, mir einen Welpen angeschafft zu haben, denn Lava wollte nichts mit ihm zu tun haben.
An der Leine zu laufen, war auch ganz und gar nicht sein Ding. Ich werde nie vergessen, wie ich ihn einmal durch Eisenach getragen habe, weil er partout nicht mehr weiterlaufen wollte. Und als Quattro in die Pubertät kam, sah ich aus, als würde ich mißhandelt werden: Arme und Beine waren über und über mit Flecken in allen erdenklichen Farben übersät, denn Quattro verstand es wunderbar, seine kleinen Kneifzähne effektiv einzusetzen. Nicht nur bei mir, sondern auch bei mehreren Matratzen, Sofas, Tapeten und Autos.
Mit keinem Hund habe ich so viele Stunden in der Hundeschule verbracht wie mit Quattro und dennoch wäre es glatt gelogen, wenn ich erzählen würde, Quattro hätte wunderbar auf alle Kommandos gehört. Nein, im Gegenteil, er machte ganz gern mal sein eigenes Ding. Vor allem beim Essen bediente er sich gar zu gern selbst, vornehmlich an für uns bestimmten Lebensmitteln.
Er war alles andere als perfekt, aber er war der beste Freund, den man sich vorstellen kann. Kurz bevor ich nach Hause gefahren kam, rannte er durchs Haus zu dem der Straße zugewandten Fenster und wartete dort auf mich. Jedes Mal. Schon von Weitem freute ich mich, wenn ich seine weisse Schnauze am Fenster erblickte.

Quattro blieb immer unser “Kleiner”, auch als er längst ergraut war. Seit seinem Einzug war immer “Leben in der Bude”, denn irgendeinen Streich hatte er immer auf Lager: sei es, indem er ein frisch gebackenes Blech Kuchen plünderte oder auf der Jagd nach Katze Elsa den geschmückten Weihnachtsbaum umriss. Niemand konnte ihm lange böse sein, im Gegenteil, kein Hund hat es je so verstanden, alle Familienmitglieder um den Finger zu wickeln wie Quattro. Er wußte ganz genau, wie man jemanden anschauen und sich anlehnen oder, wenn dies noch nicht hilft, mit der Pfote winken muss, wenn man einen Leckerbissen vom Tisch möchte.
Ein Ritual, das er auch im hohen Alter noch zelebrierte, war es nach dem Abendessen und dem Gang in den Garten ins Haus zu rasen, mehrfach auf das Bett und wieder herunter zu springen und mehrere Runden in Höllentempo um den Tisch zu drehen. Es hat ihm einen Wahnsinnsspass gemacht - wir hatten jedesmal Angst, er bekommt eine Magendrehung oder bricht sich alle Knochen, aber ihm ist nie etwas passiert. Man hatte ohnehin bei Quattro das Gefühl, er hätte Knochen aus Gummi und an den Hinterläufen Federn: ich kenne keine Dogge, die so schnell rennen und so hoch und weit springen konnte wie Quattro.

Ava muss gespürt haben, dass ihr Freund sie bald verlässt. In den letzten Tagen und Wochen waren die beiden noch viel enger verbunden als sonst, lagen stets dicht aneinander geschmiegt zusammen.

Es ist in diesen Tagen kein Trost, dass er ein hohes Alter erreicht hat und auch nicht, dass wir Zeit hatten, uns zu verabschieden. Sein Verlust schmerzt so sehr, dass wir alle wie gelähmt sind. Tröstlich ist einzig der Gedanke, dass Lava und Quattro nun wieder vereint sind, wo auch immer das sein mag.

16.02.2013

Ava trauert um Quattro. Sie frißt nicht richtig, sie liegt nachts häufig wach, sie lässt sich nicht zum Spielen animieren und sie winselt immer wieder. Erst jetzt wird deutlich, wie schwer der Verlust für Ava wiegt.

Heute bin ich daher mit ihr nach Eisenach gefahren, um dort den jungen Jack Russell Terrier Lino zu treffen. Meine Hoffnung, der kleine Racker würde Ava schnell aufmuntern, erfüllten sich leider nicht. Lino gab sich wirklich alle Mühe, Ava zum Spielen aufzufordern, doch diese liess sich, obwohl hin und wieder ihre Neugier geweckt war, nicht so recht von seiner Spielfreude anstecken. Immerhin hat sie nach dem Besuch bei Lino zum ersten Mal seit Quattros Tod wieder ihre komplette Mahlzeit aufgefressen.

[Home] [Tagebuch] [Lava] [Quattro] [Ava] [On Tour] [Galerie] [Gästebuch]