Auf der Suche nach dem König der Lüfte

Vor allem aus einem Grund reizte es mich schon lange, einmal den Müritz-Nationalpark zu besuchen: er ist die Heimat von Seeadlern. Seitdem ich zum ersten Mal diese majestätischen Tiere auf dem Darß in freier Wildbahn beobachten konnte, faszinieren sie mich. Leider bekommt man sie sowohl auf dem Darß als auch auf Rügen nur mit viel Glück zu Gesicht. So sehr ich mich auch bei jedem Ostseeurlaub bemühte, mir ist es noch nie gelungen, einen Seeadler auf einem Foto festzuhalten.
Kurioserweise hielt sich, während ich im September auf Rügen auf der Jagd nach einem Seeadler-Foto war, im hiesigen Vogelschutzgebiet Rhäden kurzzeitig ein Seeadler auf - eine Seltenheit für unsere Region. Alles, was ich von dem Adler bei unserer Rückkehr noch sah, waren jedoch die Fotos und Berichte in der Zeitung.

Umso mehr freute ich mich auf die von einem Ranger geführte Adlersafari im Müritz-Nationalpark.

Bereits am Abend unserer Ankunft im idyllisch gelegenen Nationalparkhotel erlebten wir eine Überraschung. Keine 100 Meter vom Hotel entfernt nistete auf einem Hochspannungsmast ein Fischadler-Paar. Während das männliche Tier auf Nahrungssuche unterwegs war, hütete das weibliche Tier den Horst.

Am folgenden Morgen hätten wir fast einen folgenschweren Fehler begangen. Auf dem Weg zu unserer Tour fuhren wir in einiger Entfernung an einem weiteren Fischadler-Horst vorbei und wollten anhalten, um Fotos zu machen. Aus Zeitgründen, und weil der Horst so weit entfernt war, dass man mit bloßem Auge kaum etwas hätte erkennen können, entschieden wir uns aber dann doch zur Weiterfahrt.
Im Nationalparkamt angekommen konnten wir über eine an eben diesem Hochspannungsmast installierte Kamera zusammen mit den Rangern direkt in den Horst auf die beiden jungen Fischadler schauen und live miterleben, was passiert, wenn Autofahrer anhalten und aussteigen, um die Vögel aus vermeintlich sicherer Entfernung zu beobachten. Die Alttiere verliessen aufgeregt den Horst, die ungeschützten Jungtiere waren nun eine leichte Beute für andere Vögel. Wütende Nationalparkranger schickten sofort einen Ordnungshüter los, der die Ordnungswidrigkeit der Tierfreunde, die wie wir zuvor nicht auf ein Halteverbotszeichen geachtet hatten, prompt ahndete. Bei allem Verständnis für die Ranger und ihre Sorge um die Tiere, mit einem eindeutigen Hinweisschild könnte man solche Zwischenfälle vermeiden.

Während der folgenden Wanderung mit dem Ranger erfuhren wir jede Menge Wissenswertes über Flora und Fauna des Nationalparks, insbesondere über die Fischadler, deren Brutgeschehen man genau verfolgt, und sahen eindrucksvolle Landschaften sowie Bussarde und Milane.

Am malerischen Rederangsee setzen wir uns schliesslich in eine Beobachtungskanzel und warteten gespannt auf Fisch- und Seeadler. Wir warteten und warteten, doch scheinbar schienen gerade weder Fisch- noch Seeadler Appetit auf Fisch zu verspüren. Ganz kurz zeigte sich im Fernglas, jedoch weit entfernt, ein großer Greifvogel, und ich glaube, der Ranger sagte eher im Hinblick auf unsere enttäuschten Mienen, dass das die weiten Schwingen eines Seeadlers seien. So habe ich auf der Adlersafari zwar viel über Fischadler gelernt, aber einen Seeadler hatte ich nicht wirklich zu Gesicht bekommen.

Aber da wir nun wußten, wo man die größten Chancen hat, Seeadler zu beobachten, radelten wir am nächsten Tag auf eigene Faust zum Rederangsee und warteten erneut. Und wieder warteten und warteten wir. Und obwohl ich die ganze Zeit mit dem Fernglas die Baumwipfel ringsum abgraste, habe ich ihn nicht kommen sehen. Plötzlich war er einfach da und kreiste mitten über dem See: der König der Lüfte.

Vergessen waren die unzähligen Mückenstiche und die ewige Warterei. Der Anblick entschädigte uns für alles.

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